Warum gegen rechts zu sein nicht „unyogisch“ ist!!
Seit unserer Teilnahme an der Aktion der „Shantifa – Yogi:nis gegen rechts“ erreichen uns immer wieder Reaktionen, dass sich das doch nicht mit der Philosophie des Yoga vereinbaren ließe. Wir werden mit Meinungen konfrontiert, als Yogi:ni müssten wir doch immer gleichmütig sein und dürfen keine eindeutige Position beziehen. Wir sollen mitfühlend mit allen Menschen sein, egal welche Meinung diese vertreten. Gegen etwas zu sein, sei nicht pazifistisch sondern gewaltvoll, ein:e Yogi:ni urteile nicht usw.
„Wer den Yoga lebt ist verbunden mit sich selbst und auf seinem spirituellen Weg.“ wurde mir erst kürzlich gesagt. Ja, das ist völlig richtig, im Idealfall sollte eine kontinuierliche langfristige Yogapraxis dies mit sich bringen. Doch steht das in irgendeinem Gegensatz dazu, sich gesellschaftlich und politisch zu engagieren? Bin ich nicht mitfühlend, wenn ich mich aktiv gegen rechts engagiere?
Aktion: „Yogi:nis gegen rechts“
Die Aktion „Yogi:nis gegen rechts“ entstand in erster Linie aufgrund der Geschehnisse in diesem Jahr, als sich auf den „Anti-Corona-Demos“ („Grundrechte-Demos“) eine krude Mischung unterschiedlicher Menschen auf den Plätzen unserer Städte zu versammeln begann, um gegen die politischen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie zu demonstrieren. Auffällig ist dabei, dass sich unter diesen Demonstranten auch besonders viele Menschen aus der „Spiri-Szene“ befinden, aus sogenannten „alternativen“ Kreisen und somit eben auch aus der „Yoga-Szene“.
Um dieser neuen offensichtlichen Rechtsoffenheit der Yoga-Szene etwas entgegenzusetzen, hat sich die „Shantifa“ im Netz offen positioniert und sagt: „Für uns ist klar: Yoga ist nicht vereinbar mit Xenophobie, Homophobie, Rassismus, Sexismus, Antisemitismus und Sozialdarwinismus, ebenso wenig mit Ultrakapitalismus, Neoliberalismus und Wissenschaftsfeindlichkeit. Daher wollen wir mit dieser Seite der lichtvollen Seite des Yoga eine Stimme geben – für Frieden, Liebe, Mitgefühl, Gerechtigkeit, Freiheit und Solidarität.“
Allein durch dieses Statement wird bereits klar, dass wir durch die Aktion „Yogi:nis gegen rechts“ nicht nur GEGEN etwas sind, sondern selbstverständlich damit auch FÜR gewisse Werte stehen. Jedoch möchte ich auch noch einmal ausdrücklich betonen, dass es auch nicht automatisch schlecht ist, gegen etwas zu sein. In Wahrheit ist diese „für-gegen-Diskussion“ ziemlich scheinheilig, denn wenn ich für etwas bin, bin ich doch meist auch gegen etwas und umgekehrt.
Yoga ist vielleicht parteilos, religionslos, haftet keiner Ideologie an. Doch Yoga ist keinesfalls eine „ist mir doch alles egal, ich konzentriere mich auf meinen persönlichen spirituellen Weg“-Haltung! Denn was genau ist eigentlich der eigene spirituelle Weg? Geht es da nur um mich? Oder war es nicht auch irgendwie so, dass wir unser Ego dabei überwinden wollen?
Gewalt & Gewaltlosigkeit
Die Yamas & Niyamas im Yoga-Sutra beziehen sich nicht nur auf den ethischen Umgang mit sich selbst, sondern auch auf den ethischen Umgang mit unserer Umwelt. Als erstes fällt uns in diesem Zusammenhang natürlich „Ahimsa“, die Gewaltlosigkeit, ein (YS 2.35).
Auf den Demonstrationen der „Querdenker:innen“ wird ganz klar Gewalt geschürt. Gewalt in Form von NS-Relativierungen, antisemitischer Verschwörungspropaganda, öffentlichen Aufrufen zu unsolidarischem Verhalten bzgl. der Pandemie, zum Sturz der Regierung bis hin zu Aufrufen zum Putsch.
Für uns stellt sich die Frage: Wenn wir zulassen, dass dort Gewalt passiert bzw. geschürt wird und wir nicht einschreiten und handeln, handeln wir denn dann nicht ebenso gewaltvoll bzw. sogar noch gewaltvoller? Wenn wir Nazis einfach gewähren lassen aus der Vorstellung heraus, dass wir auch mit ihnen Mitgefühl („Maitri“) haben müssen, lassen wir sehenden Auges Gewalt zu.
Was ist gewaltvoller? Gewalt zuzulassen oder sie zu verhindern? Für mein Verständnis ist es in jedem Fall ersteres. Denn wenn ich wissentlich zulasse, dass Gewalt um mich herum geschieht, mache ich mich selbst mitschuldig! Wo bleibt dann meine eigene Ahimsa?
Dagegen aufzustehen und aktiv zu versuchen diese zu unterbinden, bedeutet außerdem nicht automatisch, dass ich keinen Frieden in meinem Herzen haben kann und zwangsläufig Wut oder sonstige negative Gefühle gegen die jeweiligen „Täter“ hege.
Die Vorstellung, dass Yogi:nis immer ausschließlich gewaltlos seien, ist im Übrigen auch so gar nicht richtig. In Indien gibt es zwar ein Gewaltlosigkeits-Gelübde für manche Sannyasins (Mönche, die der Welt entsagt haben, Besitzlosigkeit und Zölibat leben), doch gibt es genauso auch andere „Mönchs-Gruppierungen“, die als Teil ihres yogischen Lebens u. a. auch Kampfkunst praktizieren, da sie zum Schutz der friedvollen Sannyasins benötigt werden. Dies wird allerdings in der westlichen Vorstellung vom Bild eines „Yogi“ sehr gerne ausgeblendet. Mal ganz davon abgesehen, dass die Yoga-Praxis für uns auch nicht das Ziel hat, das Leben eines Sannyasin zu führen. Es leben schließlich auch nicht alle Menschen, die eine religiöse Praxis verfolgen und regelmäßig in die Kirche gehen, das Leben von Mönchen oder Nonnen.
Als Yogis haben wir also nicht nur Verantwortung für uns selbst, für unseren eigenen spirituellen Weg, sondern wir haben auch eine sehr große Verantwortung für unsere Umwelt. Dieses ach so friedliche Raushalten, was einige Yogi:nis an den Tag legen, empfinde ich als feige, schädlich und sogar sehr gefährlich für unsere Gemeinschaft. Sich rauszuhalten und still zu sein, kippt Wasser auf die Mühlen derer, die hinter dieser ganzen Bewegung stehen. Die wiederum reiben sich die Hände und streuen immer weiter ihre irren und rechten Verschwörungsphantasien unter die Leute.
„Die Gefährlichsten sind die ‚Mittelextremisten‘. Das sind die Angepassten, die die Schnauze halten. Die von nichts wissen wollen.“
Lothar König, Pfarrer
Toleranz-Paradoxon
Yoga lässt sich einfach nicht mit rechtem Gedankengut vereinbaren. Toleranz hat Grenzen und zwar da wo Intoleranz beginnt. Tolerieren wir das Intolerante, wird uns dieses unterwandern und letztendlich dazu führen, dass eine tolerante Gesellschaft intolerant wird. Dieses Phänomen nennt sich „Toleranz-Paradoxon“ und wurde vom Philosoph Karl Popper beschrieben. Sich gegen rechte Ideologien zu positionieren, hat also nichts mit zu wenig Mitgefühl, mit Aggression oder unfriedlich-sein zu tun. Ganz im Gegenteil: es ist notwendig, um die Toleranz und die Vielfalt in unserer Gesellschaft zu bewahren.
Baba Ram Dass hat mal gesagt: „If you’re saying, „I’m not having anything to do with politics because it’s too dirty and because I don’t approve of it,“ forget it – you are abdicating your responsibility to society. It’s as simple as that.“ („Wenn du sagst, ich habe nichts mit Politik zu tun, weil es zu schmutzig ist und damit bin ich nicht einverstanden“ – vergiss es – damit verleugnest du deine Verantwortung in dieser Gesellschaft. So einfach ist das!“)
Das ist auch eine der Kernaussagen der Bhagavad Gita, wo sich ausgerechnet der Held des Epos aus allen möglichen Gründen seiner gesellschaftlichen Verantwortung entziehen möchte. Doch Krishna, der alles durchdringt und höchstpersönlich auf beiden Seiten des Schlachtfeldes anwesend ist – auf der einen in Form seiner gesamten Armee, auf der anderen als Wagenlenker unseres Titelhelden Arjuna – dieser Krishna nötigt Arjuna, seiner gesellschaftlichen Verantwortung nachzukommen und in die Schlacht gegen seine eigenen Verwandten und Freunde zu ziehen!
Spiritual Bypassing
Ehrlich gesagt, geht mir dieses pseudo-spirituelle Getue ganz schön auf die Nerven! Mir drängt sich sogar die Vermutung auf, dass es gar nicht wirklich darum geht, der oder die perfekte Yogi:ni sein zu wollen, sondern nur darum, sich möglichst galant aus der Affäre zu ziehen. Schließlich möchte mensch ja niemand auf die Füße treten und auch sich selbst gar nicht allzu sehr mit schwierigen und anstrengenden Themen belasten.
Es gibt mittlerweile sogar einen Begriff für diese Verhaltensweise: „Spiritual Bypassing“ nennt sich die Vermeidungsstrategie, die Spiritualität nutzt, um unbequeme Themen zu umgehen. Das Ausblenden von Problemen, z. B. Diskriminerungsformen wie Rassismus, aber auch Ängste, Familienprobleme, Einsamkeit, mentale und psychische Gesundheit. (Beispiel: „good vibes only“)
Der „unpolitische Extremismus“ der Licht-und-Liebe-Fraktion und deren zunehmendes Kuscheln mit Rechts kann und darf nicht länger unkommentiert stehengelassen werden. Und falls mir nachher wieder vorgeworfen wird, ich würde alle Teilnehmer:innen dieser Demonstrationen in die rechte Ecke stellen, möchte ich nochmal ganz deutlich darauf hinweisen, dass diese sich völlig freiwillig dort hinstellen! Jedem Menschen steht frei, sich umzudrehen und zu gehen wenn er oder sie sich verirrt hat, den Mund aufzumachen und zu widersprechen, wenn auf einer Veranstaltung Dinge geschehen hinter denen er oder sie nicht steht.
Wer das antifaschistische Grundgesetz abschaffen will, spielt den extremen Rechten in die Karten!!!
Wenn du mehr über die wachsende Rechtsoffenheit in der Yoga-Szene und die Zusammenhänge mit den „Anti-Corona-Demos“ lesen möchtest, empfehle ich dir unser Statement „#yogisgegenrechts – Wir wollen nicht schweigen!“
Mehr Infos über Nazi-Strukturen und die „Querdenken-Bewegung“ im Allgäu findest Du hier: www.allgaeu-rechtsaussen.de
2 Gedanken zu „Warum gegen rechts zu sein nicht „unyogisch“ ist!!“
Danke für die klaren Worte. Ahimsa ist natürlich nicht einfach Eierkuchen sondern manchmal auch ein hartes Geschäft, siehe Gandhi. Dafür brauchen wir übrigens auch Aggression, die nicht per se schlecht ist, sondern eine lebensnotwendige Energie, die hilft, Positionen zu behaupten, Bedürfnisse auszudrücken. Damit wären wir neben ahimsa auch bei satya, der Wahrhaftigkeit angelangt. Beides zusammen gehört zu einem integren Leben.
Absolut!!! Vielen Dank Dir!!! 💖